Tagung

Rückblick auf die Fachtagung der casa fidelio zum Thema Drehtürpatienten

Im Rahmen ihres 25 Jahr-Jubiläum lud die casa fidelio zu einer Fachtagung ein. Themenschwerpunkt waren die in den stationären Suchtinstitutionen bekannten Drehtürpatienten. Drei hochkarätige Fachpersonen aus dem Kanton Solothurn brachten einem breiten Fachpublikum das Thema näher.
In der Versorgung suchtkranker Klienten wird heute häufiger vom Drehtürpatienten gesprochen. Als Drehtürpatienten werden Menschen bezeichnet, die entlassen werden, bevor sie ausreichend therapiert worden sind und deshalb bald wieder in einer stationären Suchtinstitution oder einer Klinik landen.
Dr. med. Hans Kurt, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie in der Gruppenpraxis Weststadt in Solothurn und Präsident des Aktionsbündnis Psychische Gesundheit Schweiz, erläuterte die Wichtigkeit der Vernetzung unter Fachpersonen und Institutionen bei der Behandlung von Suchtmittelabhängigen Menschen. Die Komorbidität und Doppeldiagnosen nehmen gerade bei Patienten mit Abhängigkeiten stark zu. Oftmals sind psychiatrische Störungen wie ADHS, Psychosen, Depressionen oder Borderline bei den Klienten zu finden. Diese Erkrankungen erfordern einen multidimensionalen Behandlungsansatz und differenzierte Behandlungsmethoden je nach Primärerkrankung.
Um dies gewährleisten zu können, sollte eine Kooperation zwischen den verschiedenen Fachpersonen/Fachinstitutionen stattfinden. Wichtige Erfolgsfaktoren sind hierbei die klare Rollenaufteilung, das partnerschaftliche Verständnis und Kommunikation untereinander.

Dr. Georg Steinemann, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und Leitender Arzt am Behandlungszentrum für Abhängigkeitserkrankungen berichtete dem anwesenden Fachpublikum aus der Praxis der psychiatrischen Klinik Solothurn über die Herausforderungen der Drehtürpatienten und den Umgang mit ihnen. Die Drehtürpatienten, oder auch „Heavy User“ machen in der Psychiatrie geschätzt nur rund 10-30% der Klienten aus. Diese nehmen jedoch 50-80% der Ressourcen des VersorgungssystemS in Anspruch. In seinem Praxisbericht erläuterte Dr. Steinemann die Behandlungsmodule seiner Abteilung und wie der Weg aus dem Drehtür-Effekt aussehen kann. Zum einen via Vernetzung, zum anderen über offene Türen und der damit entstehenden Möglichkeit für Klienten, rasch wieder Hilfe zu finden. Hierzu wird die Station C1 am Behandlungszentrum für Abhängigkeitserkrankungen der Solothurner Spitäler seit einem Jahr offen geführt.

Peter Forster, therapeutischer Leiter der casa fidelio zeigte zum Abschluss der Fachtagung anhand einem Praxisbeispiel aus seiner Institution, wie die Vernetzung verschiedener Einrichtungen und die Zusammenarbeit mit den Ämtern bei einem Klienten zum Erfolg führte. Dieser wollte 2016 nach einem Entzug in die casa fidelio eintreten, was aufgrund seiner Hyperaktivität vorerst nicht möglich war. Der Kontakt wurde jedoch gehalten, das ADHS wurde medikamentös eingestellt und im April 2017 tritt der Klient in die Institution ein. Erste Krisen entstehen im August. Bei einer Partnereinrichtung kann der Klient ein Time-Out machen. Der Wiedereinstieg verläuft zwar positiv, dennoch spitzt sich die Krisensituation bei ihm weiter zu. Im November 2017 bricht er die Therapie ab. Von Seiten der casa fidelio wird aber der Therapieplatz weiterhin offengehalten und gemeinsam mit dem Sozialamt wird der vordergründige Therapiebedarf ermittelt. Es wird klar, dass das ADHS momentan im Vordergrund steht. Er wird eine Klinik überwiesen, die spezialisiert auf die Behandlung von ADHS ist. In der gesamten Zeit in der Klinik hält die casa fidelio den Kontakt zum Klienten und im März 2018 tritt dieser wieder in die Institution ein. In der Folgezeit erzielt er grosse Fortschritte und kann ein Praktikum in der Umgebung antreten. Sobald er eine feste Arbeitsstelle hat, kann er eine Wohnung suchen und wird austreten. Er wird dann Unterstützung von der regionalen ambulanten Suchthilfe erhalten.
Das Praxisbeispiel zeigte sehr gut auf, wie die Vernetzung dem Klienten auf seinem Weg kontinuierlich unterstützt hat und der Kreislauf von Austritt - Rückfall – Eintritt verhindert werden konnte. Wichtig in diesem Verlauf war das kontinuierliche Management der verschiedenen Interventionen durch die gleiche Bezugsperson und die gleiche Institution. Hilfreich und unerlässlich war und ist die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Kostenträger, Kliniken, Ärzten und schliesslich der ambulanten Suchtberatung.

Im Anschluss an die Präsentationen der Fachpersonen konnten sich auch die Teilnehmer einbringen und Fragen stellen. In einer offen geführten Podiumsdiskussion verdeutlichte sich wiederum die Wichtigkeit der Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Institutionen und Ämtern. Eine Chance das persönliche Netzwerk zu erweitern bot der abschliessende Apéro, der von Bewohnern der casa fidelio vorbereitet wurde. Bei feinen Canapés und einem Glas frischem Süssmost wurde diskutiert und der Abend ausgeklungen.

Fachtagung Drehtürpatienten

5 Bemerkungen

  1. Interessanter Artikel….
    …leider konnte ich nicht mit dabei sein um mich gegebenenfalls einzubringen…

    Als „Betroffener“ ehemaliger wäre es mir ein Anliegen auch neue Wege in Betracht zu ziehen.
    Es wird leider allzu oft von Medikamentöser Behandlung gesprochen, doch leider viel zu wenig über Alternativen die ihren Ursprung nicht in der Schulmedizin oder psychiatrischen Einrichtungen zu finden sind.

    Ich habe die letzten Jahre etliche Erfahrungen gesammelt was alternative Heilung anbelangt.
    Unsere Natur hat da viel zu bieten alleine schon was die Entgiftung betrifft. Weiterführend aber auch was das Wohlbefinden betrifft mit zB Vitamin D3 & K2… den „Mangel“ ist nicht spürbar.. doch die Ergänzung im Gegensatz enorm..

    Was mir wichtig erscheint, ist das sich entfernen von Abhängigkeiten im allgemeinen doch vorwiegend von Substanzen wie beispielsweise Ritalin was zur Abhängigkeit führt und nicht die Lösung sein kann.

    Eine Vernetzung scheint sicherlich hilfreich zu sein… sie darf aber nicht beschnitten sein durch „nur“ anerkannten Institutionen, Ämtern und psychiatrischen Dienste…

    Leider werden ehemalige Betroffene selten involviert oder „sitzen“ an den für mich nicht richtigen Positionen um gehört zu werden….

    Wäre es nicht eben interessant neue Wege zu beschreiten die „unkonventionell“ sind?

    1. Lieber Nerix (B.)

      Ja, du hast natürlich Recht, in erster Linie kümmert sich die Schulmedizin um Sucht und psychiatrische Erkrankungen. Dafür gibt es verschiedene Gründe, der Hauptgrund ist sicher der, dass es in Bereich Schulmedizin verlässliche Forschungsergebnisse gibt, für die die Kostenträger bereit sind zu zahlen. «Evidenzbasiert» ist da gerade das Schlagwort. Alternative Heilmethoden nehmen einen ganz kleinen Teil der medizinischen Behandlung ein und im Bereich der psychischen Erkrankungen ist der Teil noch viel kleiner.
      Leider gibt es gerade auf diesem Bereich viel Scharlatanerie. Für eine Institution ist es sehr schwierig zu unterscheiden, welche Methode und welcher Anwender seriös ist. Für eine Zusammenarbeit wäre das jedoch von grundlegender Wichtigkeit, da wir damit ja auch einen Behandlungsmassstab setzen..
      Wir sind offen für Alternative Behandlungen, wenn ein Klient das für sich machen will, dann hat er selbst die Verantwortung und die Entscheidungsfreiheit. Das ist aber sehr selten. Das beschreiten neuer Wege ist da für den Einzelnen wesentlich einfacher als für eine ganze Institution ausserdem ist es ja auch so, dass die Wahl der Alternativmethode sehr individuell ausfällt.
      Hilfreich wären unabhängige Forschungen auf dem Gebiet, was allerdings wieder eine Kostenfrage ist. Das Problem ist, dass sich kaum jemand findet, der solche Kosten übernimmt.

      Neue Dinge setzen sich meist dann durch, wenn die Anzahl der Interessenten in der Bevölkerung eine bestimmte Zahl überschreitet. Das lässt sich aber kaum steuern, zumindest nicht im System der Demokratie und der aktuellen Wirtschaftsform. Wie gut oder wie schlecht das ist , ist eine andere, wahrscheinlich noch schwierigere Diskussion. Es gibt Patientengruppen, die sich für diese Dinge einsetzen. Vielleicht wäre eine Mitarbeit in so einer Gruppe noch was für dich.

      Gruss Peter

  2. Gut für sich. Schade, wäre auch gerne gekommen. Freut mich trotzdem, dass sich das Casa weiterentwickelt, um weiterhin sehr gute Unterstützung zu sein. Weiter so 👍

    1. Lieber FrankY
      Vielen Dank für deinen Kommentar. Du bist herzlich eingeladen, bei uns mal einen Kaffee trinken zu kommen. Vorher kurz anrufen oder eine Nachricht schreiben, dann können wir uns etwas Zeit nehmen.
      Gruss Dimitri

  3. Als psychische Erkrankte bin ich leider immer mal wieder in der Klinik, trotz guter Anbindung an eine Psychiatrische Institutsambulanz und seit Anfang des Jahres habe ich eine ambulante Betreuerin. Ebenfalls mache ich seit gut einem halben Jahr eine Verhaltenstherapie (Psychotherapie).

    Ich muss sagen, dass meine Klinikaufenthalte weniger geworden sind, seit ich all diese Hilfen bekomme.

    Bei meinem Psychiater in der Psychiatrischen Institutsambulanz bin ich nun schon seit 4,5 Jahren.

    Obwohl ich es noch nicht schaffe ganz auf stationäre Hilfen zu verzichten, sind die Abstände wesentlich größer geworden.

    Ich bin dankbar für diese ganzen Hilfen, denn ohne würde ich nicht einmal mehr leben.

    Kleine Anmerkung: Ich bin Schweizerin, lebe aber seit 17 Jahren schon in Deutschland.

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