casa fidelio in georgien

„Die Hilfe der casa fidelio hat einiges in Bewegung gesetzt“

"Die Hilfe der casa fidelio hat einiges in Bewegung gesetzt"Herbert Müller ist Mitgründer und ehemaliger therapeutischer Leiter der casa fidelio. Gemeinsam mit Felix Jeanmaire, der im Jahr 2016 pensioniert wurde, eröffnete er am 1. Oktober 1993 das Rehabilitationszentrum für Suchmittelabhängige Männer casa fidelio in Niederbuchsiten. Herbert prägte die casa mit seinem Konzept der männerspezifischen Suchtarbeit. Nach fast 25 Jahren casa fidelio trat er in den Ruhestand. Aber ruhen kann der nun 65-Jährige nicht…

Casa Fidelio: Wie geht es dir so ohne die casa fidelio? Vermisst du die casa?

Herbert Müller: Ich konnte mich sehr gut auf mein Rentendasein vorbereiten und so war es für mich gar nicht so schwer mein „Neues Leben “ an zu nehmen.

Vermissen tue ich die casa fidelio nicht, manchmal fehlt mir die Arbeit mit den Männern, das habe ich schon sehr gerne gemacht. Mit Peter Forster, meinem Nachfolger und Freund, tausche ich mich gerne aus. Er macht auch einen super Job.

Du arbeitest an einem Projekt in Georgien. Wie kamst du dazu, wer hat dich angefragt?

Natürlich fragte ich mich, was ich denn nun mit meinem ganzen Wissen und meiner Erfahrung, die ich mir in vielen Jahren angeeignet habe, machen soll. So kam mir die Mitarbeit im Georgienprojekt der VEBO (Verein zur Entwicklung der Bewährungshilfe in Osteuropa) gerade recht. Nachdem ich letztes Jahr angefragt wurde, zögerte ich keinen Moment. Ich brauche schon immer wieder eine Herausforderung, damit ich nicht einroste.

Die VEBO existiert seit 1999 und wurde von Mitarbeitern der Bewährungs- und Vollzugsdienste des Kantons Zürich gegründet. Mittlerweile betreut sie Projekte in Rumänien, Tschechien, Griechenland und eben neu auch in Georgien. Dabei wird grosses Augenmerk auf eine enge Zusammenarbeit mit der Justiz und dem Gesundheitswesen dieser Länder gelegt. Der Erstkontakt ging über die Justiz des Kantons Zürich.

Worum geht es bei diesem Projekt? Was ist das Ziel

Es geht um eine Starthilfe und Begleitung der Projekte in einem begrenzten Zeitraum von ungefähr drei Jahren. Ziel ist, dass nach der ausgemachten Zeit die Projekte im entsprechenden Land finanziell auf eigenen Füssen stehen und fachlich auf dem neusten Stand sind.

Ziel des Georgienprojekts ist es, in Tiflis (Hauptstadt Georgiens) ein Zentrum für verhaltensauffällige Jugendliche zu schaffen. Diese Jugendlichen im Alter von 14 – 18 Jahren sind unter staatlicher Obhut und schon früh mit dem Gesetz in Konflikt geraden. Teilweise leben sie auf der Strasse, teils Zuhause. Drogen, Gewalt, Alkohol und Missbrauch sind Hauptthemen im Alltag der Jugendlichen.

Das Justizministerium von Georgien hat nun ein Haus mit kleinem Umschwung für das Projekt zur Verfügung gestellt. Es befindet sich in einem Randbezirk von Tiflis, wo viele der Jugendlichen herkommen. Diese neue Institution dient als Pilotprojekt, mit dem Ziel, dass in Zukunft noch weitere Einrichtungen geschaffen werden.

Was ist deine Aufgabe im Projekt?

Wir aus der Schweiz sind ein Dreierteam. Peter Gründler ist der Projektleiter. Er ist Ökonom und deckt den Bereich Finanzierung und Wirtschaftlichkeit ab. Kristin Crottogini ist Heilpädagogin und Gesamtleiterin der Tagessonderschule Intermezzo in Zürich. Beide sind sehr erfahren und haben schon die verschiedensten Projekte im In- und Ausland auf die Beine gestellt. Ja und da bin dann noch ich. Meine Aufgaben sind recht vielfältig. Ich helfe den Georgischen Fachleuten ein sinnvolles Konzept zu entwickeln und unterstütze sie durch meine Erfahrung mit Männerarbeit und Sucht. Wichtig ist mir dabei der Milieutherapeutische Aspekt. Wie gestalte ich den Alltag mit den Jugendlichen, wie gewinne ich Ihr Vertrauen, wie können die Jugendlichen Selbstvertrauen tanken und aus ihrer Negativspirale aussteigen? Ich möchte ihnen Perspektiven ermöglichen. Dann helfe ich auch beim Finden einer guten Mischung in der Personalstruktur. Und noch vieles mehr, pädagogisches Handeln, professionelle Beziehungsgestaltung, Prävention…

Die Fachleute vor Ort haben alle Psychologie studiert und haben sehr wenig Praxiserfahrung. Sozialpädagogik kennt man dort gar nicht. Alles muss erst aufgebaut werden. Alles ist für die Menschen neu und sie sind noch geprägt von der Zeit, als Georgien noch ein Teil Russlands war. Es herrscht grosser Umbruch und es fehlt oft vor allem das Geld und die Erfahrung, um etwas Neues zu erschaffen.

Wie sieht es aus mit der Finanzierung? Wer unterstützt das Projekt und was kostet es?

Die Finanzierung ist so gestaltet, dass es ein Startkapital aus dem Lotteriefond des Kantons Zürich gibt. Dafür muss ein Projektbeschrieb und ein Finanzplan eingereicht werden. Alles wird von einer Expertengruppe geprüft. Anschliessend erhält man grünes Licht oder eben nicht. So wie das Projekt jetzt nach einiger Arbeit daherkommt, sind wir aber guter Dinge. Es muss alles ins Deutsche übersetzt werden, was schon eine grosse Herausforderung ist. Georgisch ist eine unabhängige Sprache, was zu einigen Übersetzungsabenteuern führt.

Von der Schweiz erhalten wir einen Betrag von ungefähr 400‘000 Fr. über drei Jahre. 30% müssen die Georgier aufbringen. Ziel ist, dass das Projekt nach drei Jahren keine finanzielle Unterstützung mehr aus der Schweiz benötigt. Das Budget ist die grösste Herausforderung für uns, weil es ganz viel beinhaltet. Von der Finanzierung im georgischen Gesundheitswesen, Löhne für Berufe, die es so dort noch nicht gibt, Alltagskosten, Controlling, bis hin zu Arbeitslosen- Kranken- und Rentenversicherung. Bei all dem haben wir keinerlei Vergleichsmöglichkeit.

Das alles und noch viel mehr sind Fragen, die während dem Projekt beantwortet werden müssen.

Wie lange wird dich das Projekt einspannen? Wieso engagierst du dich in diesem Projekt? Kannst du deinen Ruhestand überhaupt geniessen?

Ich werde sicher, wenn es geht, die drei Jahre dabei sein. Es lohnt sich. Die Arbeit macht Sinn, die Menschen sind dankbar und herzlich. Und Georgien ist ein wildes, unheimlich schönes und vielfältiges Land im Umbruch, das unsere Hilfe braucht.

Ich geniesse meine Zeit und kann im Gegensatz zu früher auch mal „nein“ sagen.  Ich spüre nicht mehr den Druck der Verantwortung, den ich jahrelang hatte. Es passt alles so wie es ist.

Wie verbindest du deine Erfahrungen aus der casa fidelio mit dem Projekt? Und welche Rolle spielt die casa überhaupt?

Der Aufbau der casa fidelio war für mich eine riesige Erfahrung, die ich jetzt sehr gut in diesem neuen Projekt nutzen kann.

Ich bin sehr dankbar, dass die casa fidelio mir geholfen hat, beim Besuch der Fachkraft aus Georgien. Es war toll, dass ihr so bereitwillig Auskunft über eure Arbeit in der casa gegeben habt. Dies hat einiges in Bewegung gesetzt und alle waren sehr beeindruckt, wie die Institution funktioniert und arbeitet. Ich weiss, dass ich immer wieder auf eure Hilfe zählen kann. Ganz herzlichen Dank dafür, ich freue mich auch immer, wenn ich ab und zu mal bei euch vorbei komme und eure Offenheit mir gegenüber erlebe.

One comment on “„Die Hilfe der casa fidelio hat einiges in Bewegung gesetzt“

  1. Das ist ein sehr nützliches Projekt und wird bestimmt bei vielen Menschen in Georgien positive Prozesse auslösen. Wie schade, dass so was (noch) nicht in Russland gibt. Ich wünsche mir, dass ich in Zukunft bei so einem Projekt dabei sein kann. Herzlichen Dank für Ihre Arbeit und Engagement!

    Anna Schnaidt

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert